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[2/2] Verschwindenlassen in Guatemala: Der Fall Molina Theissen

[2/2] Verschwindenlassen in Guatemala: Der Fall Molina Theissen
CB

Corsin Blumenthal erlebte als freiwilliger Menschenrechtsbeobachter in Guatemala zwei gewichtige Fälle des Verschwindenlassens hautnah mit: Den Fall CREOMPAZ und den Fall Molina Theissen. Beide Gerichtsprozesse dauern noch an. Als Teil seiner Arbeit war er während einigen Verhandlungstagen persönlich anwesend.

Im folgenden berichtet der ehemalige Freiwillige vom Fall Molina Theissen, bei dem PBI 2016 an den Verhandlungen anwesend waren.

Der Fall Molina Theissen

Als Emma Guadalupe Molina Theissen am 27. September 1981 von Guatemala-Stadt nach Quetzaltenango fuhr, wurde sie bei einer Militärkontrolle verhaftet und in eine Militärbasis gebracht. Militärangehörige bezeichneten sie und ihre Familie als politische Gegner. Während neun Tagen wurde sie illegal festgehalten, gefoltert und vergewaltigt, bis ihr schlussendlich die Flucht gelang. Ein Tag nach der Flucht von Emma Guadalupe besuchten drei bewaffnete Personen die Familie Emmas und entführten ihren 14-jährigen Bruder Marco Antonio Molina Theissen. Bis zum heutigen Tag gilt er als verschwunden. Die Entführung von Marco Antonio wird von der Familie Molina Theissen sowie von der Staatsanwaltschaft Guatemalas als Vergeltung für die Flucht von Emma Guadalupe betrachtet. Emma Guadalupe flüchtete 1982 nach Mexiko und lebt seit 1985 im Exil in Costa Rica.

Der Prozess wird mit über 300 Beweisstücke eröffnet

Da sich der guatemaltekische Staat nicht um die Aufarbeitung des Falles kümmerte, wurde der Fall an den interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte gezogen, welcher Guatemala im Jahre 2004 verurteilte. In der Resolution erklärte dieser, dass der guatemaltekische Staat die Pflicht habe, die Überreste von Marco Antonio zu lokalisieren und diese der Familie zu übergeben. Weiter verurteilte der Gerichtshof Guatemala dazu, das Verschwinden zu untersuchen und die Verantwortlichen zu sanktionieren. Im Januar 2016 verhaftete die guatemaltekische Staatsanwaltschaft schlussendlich vier hochrangige Ex-Militärs, welche für das Verschwinden von Marco Antonio und die Verbrechen gegen Emma Guadalupe verantwortlich gemacht werden. Im August 2016 wurde ein weiterer hochrangiger Ex-Militär in Zusammenhang mit dem Fall angeklagt. Die Anhörungen zogen sich wegen verschiedenen Beschwerden der Verteidigung in die Länge. Die Ex-Militärs verneinten jegliche Verantwortung und forderten bis zum Schluss der Anhörungen die Einstellung des Verfahrens. Die Staatsanwaltschaft hingegen legte über 300 Beweisstücke vor. Anfang März 2017 entschied der Richter am Gerichtshof für Hochrisikofälle in Guatemala-Stadt schlussendlich, dass genügend Beweise existieren, um den fünf ranghohen Ex-Militärs den Prozess zu machen.

Spannungen im Gerichtssaal

Die Anhörungen fanden in einem kleinen Gerichtssaal statt und oftmals hatte es nicht genügend Platz für alle Interessierten. Freunde und Angehörige der Familie Molina Theissen und denjenigen der Angeklagten sassen dicht beieinander, wodurch es immer wieder zu Spannungen kam. Auch vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten Personen mit Megaphon gegen den Prozess und bezeichneten diesen als «Mentira Theissen» (Lüge Theissen). Weiter beschuldigten sie die Familie Molina Theissen, dass sie lediglich ökonomische Interessen an einer Widergutmachung haben und der Prozess politisch motiviert sei. Dies zeigt, dass die Aufarbeitung der Geschichte sowie die Verurteilung der Menschenrechtsverbrecher in Guatemala ein hohes Konfliktpotential aufweisen. Aus diesem Grund waren auch nicht nur PBI, sondern auch VertreterInnen des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte oder VertreterInnen verschiedener Botschaften an einigen Verhandlungstagen anwesend.

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