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Kolumbien: Exzessive Gewalt gegen Demonstrierende am Nationalstreik

Kolumbien: Exzessive Gewalt gegen Demonstrierende am Nationalstreik
ssim

Seit dem 28. April demonstrieren die Menschen im Rahmen des Nationalstreiks in ganz Kolumbien gegen die Regierung und werden dabei gewaltsam durch die staatlichen Sicherheitskräfte unterdrückt. PBI ist äusserst besorgt über den exzessiven Gewalteinsatz seitens der Polizei und Armee. 

Am diesjährigen Nationalstreik hat die Gewalt gegen die Demonstrierenden ein sehr besorgniserregendes Ausmass angenommen. Am schlimmsten betroffen sind laut Medienberichten die im Süden des Landes liegende Stadt Cali sowie die Hauptstadt Bogotá. Die Organisation Temblores, mit Sitz in Bogotá, dokumentierte zwischen dem 28. April und dem 4. Mai 1.443 Fälle von Übergriffen (davon 21 Personen mit Verletzungen an den Augen), 31 Todesopfer, 814 willkürliche Verhaftungen und 10 Opfer von sexuellen Übergriffen durch die nationale Armee und Polizei. Dem Bericht von Temblores zufolge gelten 89 Personen als verschwunden. Auch das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in Kolumbien zeigt sich äusserst besorgt über die Gewalteskalation:

"Wir sind zutiefst beunruhigt über die Entwicklungen in der Stadt Cali in Kolumbien, wo die Polizei über Nacht das Feuer auf Demonstrant*innen eröffnete, [...], wobei Berichten zufolge mehrere Menschen getötet und verletzt wurden" Marta Hurtado, Sprecherin des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte

Ursprung der Proteste, an welchen vor allem indigene und Kleinbauern-Gemeinschaften und Student*innen, aber auch allgemein Bürger*innen teilnehmen, sind eine geplante Steuerreform, die die Regierung unterdessen wieder zurückgezogen hat, eine Gesundheitsreform, die Nicht-Einhaltung der Vereinbarungen des Friedensabkommens von 2016, die Militarisierungspolitik der Regierung sowie Vorhaben zu umweltschädlichen Fracking-Projekten und Glyphosat-Sprühungen, welche die Regierung in weiten Teilen Kolumbiens wieder aufnehmen will.

Exzessive Gewalt bei Protesten 2019 und 2020

Auch die Proteste 2019 und 2020 waren von exzessiver Gewalt seitens der Sicherheitskräfte gegen die Demonstrierenden geprägt. Beispiele dafür sind der Mord am jungen Dilan Cruz, der am 23. November 2019 von einem Agenten der Nationalen Polizei beim friedlichen Demonstrieren erschossen wurde, oder der Tod des Jurastudenten Javier Ordoñez, der bei einer Polizeikontrolle am 8. September 2020 gewaltsam ums Leben kam. Daraufhin kehrten die Protestbewegungen, die anfangs 2020 aufgrund der Corona-Pandemie und dem daraus resultierenden Lockdown abgeschwächt worden waren, in den Nächten des 9., 10. und 11. Septembers 2020 in Bogotá mit Nachdruck zurück. Die Polizei reagierte mit unverhältnismässiger Härte darauf: Fotos und Videos zeigen schockierende Szenen von Polizisten, die auf mit Handschellen gefesselte Personen einschlagen und mit Gewehren auf die Zivilbevölkerung schiessen. 

Bevölkerung kämpft weiter

Die Notwendigkeit eines Dialogs zwischen der Regierung und den Protestierenden besteht heute mehr denn je, denn die aktuellen Ereignisse zeigen, dass die Demonstrationsfreiheit in Kolumbien weiterhin massiv bedroht ist - trotz des historischen Urteils des Obersten Gerichtshof vom 22. September 2020, in welchem bestätigt wurde, dass "die Art und Weise, wie die Regierung und die Nationalpolizei im Rahmen der Proteste im November 2019 handelten, die verfassungsmässigen Rechte der Demonstrierenden verletzt hat". Und so kämpft die kolumbianische Bevölkerung weiterhin für ihre Rechte und bessere Lebensbedingungen und um Wahrheit und Gerechtigkeit für die Opfer zu fordern. 

Webinar zu Polizeigewalt in Kolumbien

Die nächste Folge der Webinarreihe "Meet the Defenders" von PBI Schweiz am 7. Juni rückt das Thema der Polizeigewalt in den Fokus und lädt Menschenrechtsverteidiger*innnen aus Kolumbien zur Diskussion ein. Mehr Informationen zum Webinar "Protesta social y violencia de Estado en Colombia" (auf Spanisch, mit Übersetzung auf Französisch)>

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