Yoris Demars
- Arbeitet als Arzt im Spital CHUV, Lausanne
Nach dem Austritt aus dem Projekt
Schon ist die Erfahrung unter dem PBI-Logo in Kolumbien zu Ende und ich habe das Gefühl, dass all diese Monate wie im Flug vergangen sind… Dieses Gefühl hat bestimmt mit der Intensität dieses Aufenthalts zu tun, voller Stress, Traurigkeit, Enttäuschung aber auch ausgefüllt mit Lernen, Begegnungen und sogar Hoffnung!
Mein Beginn im Projekt fiel in die Zeit, als die NGOs die ersten Auswirkungen der Finanzkrise zu spüren bekamen. Für PBI Kolumbien bedeutete dies eine 50%-Kürzung des Budgets und somit ein zur Hälfte reduziertes Team, das seine Arbeit einschränken musste. Das Arbeitsvolumen von PBI zu verkleinern, war jedoch viel leichter gesagt als getan. Die hohe Belastung gehörte somit zum Alltag und wir mussten uns daran gewöhnen.
Erhöhte Gewalt seit Beginn der Friedensverhandlungen
Mein Start im Projekt traf auch mit der Ankündigung der Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der FARC zusammen. Eine hoffnungsvolle Ankündigung, die ein Wechsel in der Politik der Oligarchie, die das Land seit Jahrzehnten beherrscht, in sich barg. Leider spielen sich diese Verhandlungen tausende Kilometer weit entfernt ab und schliessen die Zivilbevölkerung und sozialen Bewegungen aus, die täglich unter dem Konflikt leiden. Seit Anbeginn der Verhandlungen werden die MenschenrechtsverteidigerInnen vermehrt bedroht und ermordet. Die Militarisierung der ländlichen Gebiete wird immer sichtbarer und die Antworten der Regierung auf die sozialen Proteste sind gewaltsam. Der offizielle Diskurs ist weit entfernt von der Realität. Es weist alles darauf hin, dass die Regierung mehr als am Frieden mit der FARC, daran interessiert ist, ihr Image zu verbessern, um die Handelsbeziehungen auf internationaler Ebene zu erleichtern…
Die Präsenz von PBI ist wirksam
Der Weg zum sozialen Frieden in Kolumbien ist noch lang nach sechs Jahrzehnten Konflikt. Aber dieses wunderbare Land ist voller unglaublicher Personen! Personen, die ihre Traumas überwinden und klare Ideen haben, die täglich gegen ein System der Unterdrückung kämpfen und die sich einsetzen, um ihre Grundrechte zu verteidigen, ohne dabei ihr Leben zu riskieren! Ich verlasse das Land somit nach einer einzigartigen Lebenserfahrung an der Seite von inspirierenden und mutigen Personen. Ich hatte das Privileg in das Leben dieser MenschenrechtsverteidigerInnen einzutreten und gleichzeitig zu erfahren, dass unsere Präsenz wirksam und grundlegend ist.
Vor der Abreise
Da mich die internationale Politik interessiert, habe ich den bewaffneten Konflikt in Kolumbien schon während mehrerer Jahre verfolgt. In den Medien wird die Situation häufig als eine Auseinandersetzung zwischen der Regierung und den Guerillas präsentiert. In Wahrheit ist die Situation viel komplexer, wie die immer wiederkehrenden Enthüllungen über Verbindungen zwischen Paramilitärs, Politikern und Unternehmern zeigen. Diese Verbindungen erklären zu einem Teil auch die vorherrschende Straflosigkeit in Fällen von Menschenrechtsverletzungen.
Unterstützung und Inspiration
Trotz des seit über 60 Jahren andauernden Konflikts haben zahlreiche kolumbianische AktivistInnen den Weg der Gewaltlosigkeit als Methode gewählt, um soziale Gerechtigkeit in ihrem Land anzustreben. Es ist sehr beunruhigend, dass die Zahl der Morde und Bedrohungen gegen diese MenschenrechtsverteidigerInnen unverändert hoch ist. Als ausländische Organisation unterstützt PBI diese Menschen. Es ist eine Art der Unterstützung, mit der ich mich aufgrund der Prinzipien der Gewaltlosigkeit und der Nichteinmischung identifiziere. Darüber hinaus freue ich mich, mich vom Einfallsreichtum, der Kraft und der Beharrlichkeit der AktivistInnen inspirieren zu lassen und gleichzeitig Teil eines nützlichen und eingespielten Begleitmechanismus’ sein zu können.
Fähigkeiten weiterentwickeln
Auch wenn mich das Projekt für einige Zeit aus meinem beruflichen Alltag als Arzt herausreisst, so wird der Einsatz zweifellos eine bereichernde Erfahrung darstellen. Ich denke, dass ich meine Fähigkeiten für das Verständnis von Lebensläufen weiterentwickeln und meine Offenheit und Empathie auf die Probe stellen kann. Darüber hinaus werde ich durch das Erarbeiten von Situationsanalysen und im Umgang mit verschiedenen Behörden wichtige Erfahrungen für künftige Einsätze in der Entwicklungszusammenarbeit sammeln. Schliesslich stellt die Arbeit in einem Team mit einer horizontalen Organisationsstruktur einen bereichernden Kontrast zu meinen bisherigen Arbeitserfahrungen dar.