
Im Rahmen des 40-jährigen Jubiläums von PBI porträtieren wir jeden Monaten eine*n ehemalige*n Freiwillige. Diesen Monat ist Jessica García an der Reihe, die 2017-2018 in Guatemala im Einsatz war.
Kurzbiografie
Jessica García studierte Sozialwissenschaften an der Universität Lausanne. Danach absolvierte sie mehrere Praktika im In- und Ausland, darunter auch bei PBI Schweiz in Bern und bei der Schweizerischen Flüchtlingshilfe . Danach arbeitete sie mehrere Jahre in der Beratung von Asylsuchenden auf einer Rechtsberatungsstelle in Zürich. Nach ihrem Einsatz mit PBI in Guatemala war Jessica für das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge in Guatemala-Stadt im Bereich sexuelle und genderbasierte Gewalt und Schutz von LGBTI-Personen tätig. Aktuell bildet sie sich im Bereich psychosoziale Beratung an der Fachhochschule Nordwestschweiz weiter und ist wieder in der Unterstützung von geflüchteten Menschen tätig.
Was hat dich in deinem Einsatz am meisten geprägt?
Am meisten geprägt hat mich die Arbeit im Team. Während der Sitzungen bemühten wir uns, Lösungen im Konsens zu finden. Dabei stand oft das Zuhören der anderen Teammitglieder im Zentrum, was viel Geduld und Zeit erforderte. Es wurde mir zum ersten Mal richtig bewusst, wie wenig wir normalerweise in unserem Alltag und in der Arbeitswelt nach dem Prinzip des Konsens arbeiten. Für die Teamarbeit ist es jedoch sehr wichtig, verschiedene Ideen und Perspektiven aufzunehmen, um so vielleicht eine kreativere oder passendere Alternativ-Lösung zu finden, an die wir als Team am Anfang gar nicht gedacht hätten.
Gibt es eine spezielle Situation oder ein Erlebnis in deinem Einsatz, das du gerne mit uns teilen würdest?
Es gäbe tausend Erlebnisse zu erzählen und eines auszuwählen, fällt mir gar nicht leicht. Oft sagten wir im Team, dass wir in einigen Monaten so viele Dinge erlebten, wie normalerweise in 3-4 Jahren. Die Zeit mit PBI war also sehr intensiv und erlebnisreich. Ein Moment, der mich sehr bewegte, war ein Besuch von zwei Bauern aus indigenen Gemeinschaften im Departament Baja Verapaz, die Mitglieder der Unión Verapacense de Organizaciones Campesinas waren. Sie erzählten uns von den Übergriffen, die sie aufgrund der Verteidigung ihres Landes erlitten. Am Schluss des Gesprächs bedankten sie sich dafür, dass wir als Freiwillige unsere Heimat verlassen hatten, um sie zu unterstützen und ihnen zuzuhören, obwohl wir bei uns unter besseren Umständen leben und arbeiten könnten. In diesem Moment wurde mir klar, wie wichtig unsere Präsenz für die Menschenrechtsverteidiger*innen auch auf symbolischer Ebene ist. Sie ist ein Zeichen der Solidarität und stärkt die betreffenden Personen im Kampf um ihre Rechte. Die Kraft der moralischen Begleitung war mir vor meinem Einsatz nicht so bewusst, aber viele der begleiteten Menschrechtsverteidiger*innen erwähnten sie. Angesichts der vielen Menschenrechtsverletzungen, die wir beobachteten, bestärkten mich solche Aussagen, um nicht von einem Gefühl der Ohnmacht erdrückt zu werden.
Welchen Ratschlag würdest du zukünftigen Freiwilligen geben?
Ich würde ihnen raten, sich auf die Erfahrung einzulassen und in den ersten drei bis vier Monaten Geduld zu üben. Der politische Kontext ist komplex. Jede von PBI begleitete Organisation hat ihre eigene Geschichte und zu Beginn des Einsatzes sind so viele Informationen manchmal überwältigend.
«Den zukünftigen Freiwilligen rate ich, sich auf eine intensive Zeit mit den Teammitgliedern vorzubereiten, da man nicht nur die Arbeit, sondern auch den Alltag, Wohnraum und sehr oft auch die Freizeit miteinander teilt. Man muss bereit sein, sich mit den eigenen Fähigkeiten und Grenzen auseinanderzusetzen und dem Leben in einem Kollektiv mit Neugier und Offenheit gegenüber zu treten.»
Was nimmst du aus deinem Einsatz mit?
Die Erfahrung mit PBI ist einzigartig und gab mir einen Einblick in das politische Arbeiten der sozialen Bewegungen und NGOs in Lateinamerika, welchen ich nicht so einfach in anderen Organisationen erhalten hätte. Darüber hinaus hat mir diese Erfahrung geholfen, die politischen und ökonomischen Machtverhältnisse zwischen den verschiedenen Kontinenten besser zu verstehen. Diese Erfahrungen prägen mein Handeln und Denken weiterhin. Ich kann es jedem empfehlen, einen Einsatz mit PBI zu wagen, denn er ist in meinen Augen auf allen Ebenen lehrreich und unvergleichbar.