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"Ich träume von einem gerechten Honduras"

"Ich träume von einem gerechten Honduras"
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Andrea Regina Pineda ist Anwältin in Honduras und setzt sich in der Organisation Centro Hondureño de Promoción para el Desarollo Comunitario (CEHPRODEC) für Land- und Menschenrechte ein. Im Interview mit Aline Geissmann von PBI Schweiz erzählt sie von ihrer Arbeit und ihren Träumen.

Schon als kleines Mädchen hatte Pineda einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und wollte sich als Erwachsene für soziale Gerechtigkeit einsetzen. Sie entschied sich für ein Rechtstudium, da sie  überzeugt ist, dass dies der beste Weg ist, um Frauen, Kindern und den verletzlichsten Menschen zu helfen.

Studium in einer Blase

Das Studium absolvierte sie an einer privaten Universität. "Unter meinen Mitstudentinnen und Mitstudenten wurde die Situation in Honduras bezüglich Menschenrechten kaum thematisiert; über die politische Krise oder die Proteste sprach man nicht. Es waren Tabu-Themen", erinnert sich die 24-Jährige. "Die Mehrheit lebte in einer Blase, in einer heilen Welt."

Ihr Umfeld legte ihr zwar nahe, eine Arbeit zu suchen, in der sie gut verdienen würde, doch Pineda interessierte sich nicht für Geld. Sie wollte eine Arbeit, welche sie passionniert. Pineda fand eine Praktikumsstelle bei CEHPRODEC, eine Organisation, die sich für Land- und Menschenrechte einsetzt. Nach ihrem Praktikum erhielt sie dort eine Festanstellung.

Bei CEHPRODEC arbeitet sie viel in der Projektkoordination. Sie berät und begleitet indigene Gemeinden und leitet Workshops. "Letzte Woche waren wir in einer Gemeinde, mit der wir noch nie zusammengearbeitet haben. Das war sehr eindrücklich. Die EinwohnerInnen werden von GrossgrundbesitzerInnen ausgebeutet und wissen kaum etwas über ihre Rechte. Wir wollen sie darin unterstützen, ihre Rechte zurückzuerlangen und ihnen zeigen, dass sie nicht allein sind in diesem Kampf," erzählt Pineda. Die Besuche in den Gemeinden motivieren sie, sich weiter für Menschenrechte einzusetzen. Sie sieht sich selbst nicht nur als Anwältin, sondern auch als Freundin der betroffenen Personen. "Ihr Kampf ist mein Kampf," erklärt sie entschieden.

In diesem Kampf ist Pineda froh, auf PBIs Unterstützung zählen zu können. "PBIs Engagement zeigt den Leuten, dass es ein internationales Interesse an der Situation gibt. Dies ist sehr aufbauend. Die Präsenz von PBI hilft uns sowohl als Institution als auch als Gemeinschaft."

Sorgen um die Zukunft und unmögliche Träume

Pineda ist beunruhigt darüber, dass immer mehr Gebiete illegal für Bergbau besetzt und genutzt werden und der honduranische Staat in dieser Hinsicht versagt. Laut dem von CEHPRODEC erstellten Observatorium für natürliche Ressourcen und Menschenrechte 2017 hat der honduranische Staat 302 Konzessionen für Bergbau auf einer Fläche von über 2'000 Quadratkilometern erteilt. Die meisten davon wurden ausgestellt, ohne dass es zuvor freie, informierte Konsultationen gegeben hätte. Konsequenzen sind mehr Landkonflikten, Verhaftungen und die Kriminalisierung von Personen, die sich gegen Minenunternehmen auflehnen, welche ihr Land bedrohen. Pineda beobachtet, dass es immer mehr Gewalt gibt und befürchtet, dass eine sehr harte Zeit vor Honduras liegt.

"Ich fühle mich sehr machtlos und traurig darüber, dass der honduranische Staat nach wie vor so korrupt ist und die Mächtigen nur jenen helfen, die politisch mit ihnen auf einer Linie sind. Ich träume von einem gerechteren Honduras - einem Honduras, in dem die Justiz für alle vorhanden ist, in dem Empathie die Diskriminierung ersetzt. Ich träume davon, Honduras zum Besseren zu verändern", erzählt Pineda und fügt an, dass dieser Traum wohl vorläufig ein Traum bleiben werde. Solche grundlegenden Veränderungen seien unmöglich, solange die aktuellen Personen an der Macht blieben.

Zelte statt mobile Spitäler

Gerade während der Pandemie hat die Korruption wieder deutlich zugenommen: Es wurden zwar viele Gelder zur Bekämpfung der Pandemie bereitgestellt, jedoch habe die Bevölkerung davon kaum etwas gespürt, bedauert Pineda. Die Kranken wurden in Zelten anstatt in den versprochenen mobilen Spitälern untergebracht und es fehlte den Ärzten an Medikamenten und Hygiene-Material.

"So viele Menschen sind schon durch unseren Staat gestorben. Nicht nur durch direkte Morde, sondern ebenfalls durch Nachlässigkeiten und Fehlentscheidungen, durch die schlechte Sozialversicherung und die Korruption. Das ist unverzeihlich. Ich träume davon, dass eines Tages die Gerechtigkeit siegen wird", seufzt Pineda. Bis dieser Tag kommt, wird sie sich weiter für die Unterdrückten einsetzen und mit ihrem Engagement versuchen, einen Unterschied zu erzielen.

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Andrea Regina Pineda im Gespräch mit PBI Schweiz
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