
Per Ende Oktober 2022 trat Kim-Mai Vu als Advocacy Koordinatorin von PBI in Genf zurück. Im Gespräch mit der Praktikantin Aïnoa Robert-Nicoud blickt sie auf die Herausforderungen und Erfolge der vergangenen Jahre zurück.
Mit welcher Motivation hast du dich 2018 auf die Stelle als Advocacy Koordinatorin beworben?
PBI war mir damals nicht neu, da ich bereits ein Praktikum sowie zwei Freiwilligeneinsätze in Guatemala absolviert hatte. Meine Motivation rührte daher, dass ich die Methoden der Organisation bestens kannte und von deren positiven Einfluss auf die Arbeit von Menschenrechtsverteidiger*innen (MRV) überzeugt war. Durch meine Arbeit wollte ich zur Verbesserung der Menschenrechtssituation beitragen.
Was waren für dich die grössten Herausforderungen und Erfolge in den letzten fünf Jahren?
Die Advocacy-Arbeit zeigt nicht immer sofort eine Wirkung und das ist manchmal frustriend. Ich habe erlebt, wie der Handlungsspielraum der Zivilbevölkerung in den PBI-Projektländern und auf internationaler Ebene immer mehr eingeschränkt wird. Covid-19 erschwerte die Arbeit zusätzlich, da alle Aktivitäten plötzlich virtuell durchgeführt werden mussten. Dies beeinträchtigte den Aufbau und die Pflege der Beziehungen mit den Partner*innen.
Die Advocacy-Arbeit hat aber auch Erfolge gezeigt, denn es ist uns gelungen die Position von PBI bei der internationalen Gemeinschaft in Genf zu stärken. PBI ist nun als eine Organisation anerkannt, welche qualitativ hochstehende Arbeit leistet und über Expertenwissen in Bezug auf die Situation der Menschenrechte in den Projektländern verfügt. Weiter konnte PBI in den vergangenen fünf Jahren ihr Netzwerk ausbauen und arbeitet nun noch enger mit anderen NGOs, diplomatischen Vertretungen und den Vereinten Nationen (UNO) zusammen. So konnten wir zum Beispiel an einem Treffen mit Michelle Bachelet, der ehemaligen UNO Hochkommissarin für Menschenrechte teilnehmen. PBI war auch Co-Initiatorin mehrerer Erklärungen zu Menschenrechtsfragen, welche von zivilgesellschaftlichen Organisationen breit unterstützt wurden.
"Heute konsultiert die UNO PBI manchmal sogar direkt."
Gibt es ein Moment, der dich speziell geprägt hat?
Es gibt viele Momente, die mich gepräft haben, insbesondere während den Speaking Tours, durch die ich zahlreiche MRV kennenlernen durfte. Ich erinnere mich an die Berichte inspirierender Frauen aus Mexiko, Guatemala und Kenia, welche sich für den Zugang zur Justiz in Fällen des gewaltsamen Verschwindenlassens von Personen oder für die Beendigung sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt einsetzen. Sie sprachen mit uns über schwere körperliche und persönliche Angriffe, Verleumdungen und gezielte Mordversuche, denen sie ausgesetzt waren. Ich denke an die Verachtung, welche ihnen tagtäglich widerfahren ist, namentlich von Seiten der Sicherheitskräfte.
"Der persönliche Austausch und die oft sehr schwierigen Lebensgeschichten der Menschenrechtsverteidigerinnen waren sehr inspirierend für mich."
Welche Ermutigung möchtest du den Menschenrechtsverteidiger*innen mit auf den Weg geben?
Als Advocacy Koordinatorin habe ich mich bemüht, den Stimmen der MRV bei der internationalen Gemeinschaft Gehör zu verschaffen und ihr Engagement sichtbar zu machen. Obwohl diese Arbeit viel Zeit braucht, möchte ich ihnen mit auf den Weg geben, dass sie nicht alleine sind. Angesichts der Notlage in der sich viele MRV befinden und einem Klima der Straflosigkeit für schwere Menschenrechtsverletzungen möchte ich ihnen meine Solidarität ausdrücken.
Kim-Mai Vu ist seit November 2022 wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten in Bern und arbeitet zu Genderthemen und Frauenrechten. Ab Januar 2023 übernimmt Yannick Wild, ehemaliger PBI-Freiwilliger in Honduras, die Advocacy Koordination für PBI in Genf.



