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Guatemala: Die Stimmen der Überlebenden zum Tod des ehemaligen Diktators Ríos Montt

Guatemala: Die Stimmen der Überlebenden zum Tod des ehemaligen Diktators Ríos Montt

Noch am selben Tag wurde Ríos Montt mit militärischen Ehren auf einem privaten Friedhof in kleinem Kreise, aber im Beisein zahlreicher Militärangehöriger beerdigt. Seine Tochter Zury Ríos mahnte am Grab ihres Vaters, dass „alle sich daran erinnern, dass er frei war und frei starb“, eine Aussage, die viel Applaus geerntet hat und mehrmals von Freunden des Diktators wiederholt wurde.

Zeitgleich rief H.I.J.O.S., eine Organisation von Familienangehörigen von im Bürgerkrieg Verhafteten und Verschwundenen, zu einer Demonstration auf dem zentralen Platz der Hauptstadt auf. Raúl Nájeras, Mitglied von H.I.J.O.S., erklärte: „Es macht wütend, dass diese als Völkermörder verurteilte Person friedlich in ihrem Haus sterben konnte, da in diesem Land Straflosigkeit vorherrscht. […] Während Ríos Montt von seinen Familienangehörigen beerdigt wird, suchen noch immer Tausende Personen und Gemeinden nach ihren Toten.“

Stimmen der Überlebenden

Überlebende der Maya-Ixil gaben im Anschluss der Verhandlung eine Pressekonferenz, in der sie versicherten, dass sie den Kampf für Gerechtigkeit gegen andere hochrangige Militärangehörige, die verantwortlich für den Völkermord sind, fortsetzen werden: „Wir lehnen Erklärungen, die besagen, dass Ríos Montt unbestraft und frei starb, ab. Er starb als Verurteilter und musste sich ein zweites Mal einem Verfahren stellen. Die Geschichtsschreibung wird ihn so erinnern.“

CALDH, eine der Anwaltskanzleien, die sich für die Rechte der Opfer in diesem Fall einsetzen, veröffentlichte ebenfalls eine Presseerklärung: „Die Frauen und Männer der Maya-Ixil, die 2013 einen Schuldspruch erreichten, indem sie die Wahrheit aussprachen, kämpfen jeden Tag aufs Neue gegen das Vergessen. Dank ihnen erfuhr die guatemaltekische Gesellschaft vom Völkermord, der in den Jahren 1982 und 1983 stattfand. Heute weiss die Welt, dass es in Guatemala einen Genozid und sexuelle Gewalt gab und dass Rassismus der Motor war, der alles angetrieben hatte […] Während dieser Reise in Richtung Gerechtigkeit als ein fundamentales Menschenrecht […] sind fünf ZeugInnen verstorben. Aber ihre Worte und ihre Wahrheit sind wie Samen, die die Luft erfüllen und auf fruchtbare Erde fallen.“ Edgar Pérez und Santiago Choc von der Menschenrechtskanzlei BDH sind ebenfalls Kläger in dem Verfahren. PBI begleitet die AnwältInnen der Kanzlei seit 2010.

Langwierige Aufarbeitung des Bürgerkrieges

Der mittelamerikanische Staat litt 36 Jahre lang unter einem blutigen Bürgerkrieg, der unter der Führung des Generals Ríos Montt in den Jahren 1982 und 1983 ungeahnte Ausmasse erreichte. Im Zuge der „Politik der verbrannten Erde“ war er unter anderem für 11 Massaker an den Maya-Ixil verantwortlich, die 1'771 Menschenleben forderten und zu mehr als 1'400 Vergewaltigungen führten. Am 10. Mai 2013 wurde er deswegen zu insgesamt 80 Jahren Haft verurteilt.
Jedoch annullierte das guatemaltekische Verfassungsgericht das Urteil nur zehn Tage später wegen Unregelmässigkeiten im Prozessablauf und setzte das Verfahren auf den Stand vom 19. April 2013 zurück. Erst im Oktober vergangenen Jahres wurde das Verfahren gegen Ríos Montt wieder aufgenommen.