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Mexiko: MRV spüren die Auswirkungen von Covid-19

Mexiko: MRV spüren die Auswirkungen von Covid-19
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MenschenrechtsverteidigerInnen (MRV) in Mexiko sind mit zwei grossen Problemfeldern konfrontiert: Gesundheit und Menschenrechte. Denn trotz der aktuellen sanitären Krise werden Menschenrechtsverletzungen nicht nur weiterhin begangen, sondern nehmen sogar zu.

»Nun, wo die ganze Welt Zuhause bleiben muss, sind Land- und UmweltverteidigerInnen leichte Zielscheiben«, bestätigen Michel Forst, UNO-Sonderberichtserstatter über die Lage von MRV, und Michael Taylor, Direktor des Sekretariats der Internationalen Landkoalition. Ihnen zufolge sind MRV durch die Ausgangssperre nicht nur stärker Übergriffen ausgesetzt, sondern verlieren auch ihr Recht auf Schutz und Aufmerksamkeit durch die Öffentlichkeit und Medien. Ausserdem nutzen unverantwortungsvolle Unternehmen und Regierungen die eingeschränkte Bewegungsfreiheit, um die Interessen von MRV zu übergehen und der Industrie einen Freibrief auszustellen. Die 320 Millionen indigenen Völker weltweit sind speziell betroffen, weil ihre Territorien oftmals reich an natürlichen Ressourcen sind.

MRV werden kriminalisiert und bedroht

Am 8. April 2020 wurde Adán Vez Lira ermordet, als er dem Aufruf einer benachbarten Gemeinschaft folgte. Adán und seine NachbarInnen sind gegen die Entwicklung von Bergbauprojekten in der Gemeinde Actopan, weil sie befürchten, dass diese die Lagunen und Sümpfe an der Küste des Bundesstaats Veracruz zerstören. Diese Ökosysteme beherbergen über 300 verschiedene Spezies und sind für die Gemeinschaft heilig. Der Fall von Adán Vez Lira zeigt die Risiken, denen MRV ausgesetzt sind - und dies trotz der verordneten Einschränkungen wegen Covid-19.

Die Konsequenzen von Covid-19 für MRV

Die Corona-Pandemie führt zu zahlreichen Risiken für MRV in Mexiko:

  • Zugang zu Wasser: Aufgrund der mangelnden Wasserversorgung können manche Gemeinschaften die Hygienevorschriften nicht einhalten. Deshalb entschlossen sich Organisationen wie zum Beispiel Código DH in Oaxaca, Veranstaltungen vor Ort abzusagen, damit das Risiko der Ansteckung reduziert wird. 
  • Migration: In der Casa del Migrante Saltillo, einer MigrantInnenherberge im Norden Mexikos, musste der Zugang für neue Personen eingestellt werden, aus Angst vor der Ausbreitung von Covid-19. 
  • Justiz: Aufgrund der aktuellen Lage wurden Verfahren temporär eingestellt. Dies erhöht das Risiko von Straffreiheit weiter und gefährdet MRV besonders stark, da sie häufig Opfer von Übergriffen werden, die nicht aufgeklärt werden.
  • Medien: Die mediale Aufmerksamkeit liegt aktuell nur auf Covid-19. Dies erschwert die Arbeit von MRV stark, da sie über die öffentliche Dokumentation und Diskussion von Menschenrechtsverletzungen Druck auf die Regierungen ausüben können. Kampagnen verlieren an Schlagkraft, was die Erfolgschance senkt, dass die Forderungen von MRV erfüllt werden.
  • finanzielle Unterstützung: Zusammen mit der fehlenden Berichterstattung steigt die Befürchtung, dass Unterstützungsgelder ausfallen. Einerseits werden Spenden momentan wohl eher mit dem Ziel getätigt, die sanitären Aspekte der Corona-Krise zu bewältigen. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass Geldgeber ihre finanziellen Mittel aktuell für eigene Zwecke brauchen. 

Staat ist in der Pflicht, MRV zu schützen

Aktuell setzen sich viele MRV dafür ein, dass Gemeinden Massnahmen einführen, um das Virus einzudämmen. Damit solche Initiativen in der ganzen Region erfolgreich sind, fordert die Interamerikanische Menschenrechtskommission die Staaten dazu auf, die MRV in ihrer Arbeit zu unterstützen und zu schützen.

Das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) betont zudem, dass die Ausrufung des Notstands nicht dazu verwendet werden dürfe, »die Arbeit von MRV zum Schweigen zu bringen«. Der mexikanische Staat muss seiner Pflicht nachgehen und sie beschützen.

Elodie Sierro

Über die Autorin: Elodie Sierro beobachtete mit SweFOR von August 2018 bis März 2020 die Menschenrechtssituation in Mexiko. SweFOR ist eine schwedische NGO, die sich für Frieden und Gewaltlosigkeit einsetzt und hierfür MRV in Mexiko, Guatemala und Kolumbien begleitet.

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